Die Blechtrommel by Günter Grass
Author:Günter Grass [Grass, Günter]
Language: deu
Format: epub
Tags: Roman, Klassiker
ISBN: 3865219705
Publisher: Steidl
Published: 1956-01-01T00:00:00+00:00
BEBRAS FRONTTHEATER
Mitte Juni zweiundvierzig wurde mein Sohn Kurt ein Jahr alt. Oskar, der Vater, nahm das gelassen hin, dachte sich: noch zwei Jährchen. Im Oktober zweiundvierzig erhängte sich der Gemüsehändler Greff an einem so formvollendeten Galgen, daß ich, Oskar, fortan den Selbstmord zu den erhabenen Todesarten zählte. Im Januar dreiundvierzig sprach man viel von der Stadt Stalingrad. Da Matzerath jedoch den Namen dieser Stadt ähnlich betonte, wie er zuvor Pearl Harbour, Tobruk und Dünkirchen betont hatte, schenkte ich den Ereignissen in jener fernen Stadt nicht mehr Aufmerksamkeit als anderen Städten, die mir durch Sondermeldungen bekannt wurden; denn für Oskar waren Wehrmachtsberichte und Sondermeldungen eine Art Geografieunterricht. Wie hätte ich sonst auch erfahren können, wo die Flüsse Kuban, Mius und Don fließen, wer hätte mir besser die geografische Lage der Aleuteninseln Atu, Kiska und Adak erläutern können als ausführliche Radioberichte über die Ereignisse im Fernen Osten. So lernte ich also im Januar dreiundvierzig, daß die Stadt Stalingrad an der Wolga liegt, sorgte mich aber weniger um die sechste Armee, vielmehr um Maria, die zu jener Zeit eine leichte Grippe hatte.
Während Marias Grippe abklang, setzten die im Radio ihren Geografieunterricht fort: Rzev und Demjansk sind für Oskar heute noch Ortschaften, die er sofort und blindlings auf jeder Karte Sowjetrußlands findet. Kaum war Maria genesen, bekam mein Sohn Kurt den Keuchhusten. Während ich versuchte, mir die schwierigsten Namen einiger heißumkämpfter Oasen Tunesiens zu merken, fand mit dem Afrikakorps auch Kurtchens Keuchhusten sein Ende.
Oh Wonnemonat Mai: Maria, Matzerath und Gretchen Scheffler bereiteten Kurtchens zweiten Geburtstag vor. Auch Oskar maß dem bevorstehenden Festtag größere Bedeutung bei; denn vom zwölften Juni dreiundvierzig an brauchte es nur noch ein Jährchen. Ich hätte also, wäre ich anwesend gewesen, an Kurtchens zweitem Geburtstag meinem Sohn ins Ohr flüstern können: »Warte nur, balde trommelst auch du.« Es begab sich aber, daß Oskar am zwölften Juni dreiundvierzig nicht in Danzig-Langfuhr weilte, sondern in der alten Römerstadt Metz. Ja, es zog sich seine Abwesenheit so in die Länge, daß er Mühe hatte, am zwölften Juni vierundvierzig rechtzeitig genug, um Kurtchens dritten Geburtstag mitfeiern zu können, die vertraute, immer noch nicht bombenbeschädigte Heimatstadt zu erreichen.
Welche Geschäfte führten mich fort? Ohne jeden Umschweif sei hier erzählt: Vor der Pestalozzischule, die man in eine Luftwaffenkaserne verwandelt hatte, traf ich meinen Meister Bebra.
Doch Bebra alleine hätte mich nicht zur Reise überreden können. An Bebras Arm hing die Raguna, die Signora Roswitha, die große Somnambule.
Oskar kam vom Kleinhammerweg. Er hatte dem Gretchen Scheffler einen Besuch abgestattet, hatte ein bißchen im »Kampf um Rom« geschmökert, hatte herausgefunden, daß es schon damals, zu Belisars Zeiten, wechselvoll zuging, daß man auch damals schon, geografisch recht weiträumig, Siege und Niederlagen an Flußübergängen und Städten feierte oder einsteckte.
Ich überquerte die Fröbelwiese, die man während der letzten Jahre zu einem Barackenlager der OT gemacht hatte, war mit den Gedanken bei Taginae — im Jahre fünfhundertzweiundfünfzig schlug dort Narses den Totila — doch nicht des Sieges wegen weilten meine Gedanken bei dem großen Armenier Narses, vielmehr hatte es mir die Figur des Feldherrn angetan; verwachsen, bucklig war Narses, klein war Narses, ein Zwerg, Gnom, Liliputaner war Narses.
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